Bundestransfer

Bundestransfer

Die Programme Griffbereit und Rucksack KiTa sind bundes- sowie europaweit gefragte Erfolgsmodelle aus Nordrhein-Westfalen. Mit Blick auf Herausforderungen in den letzten Jahren wie Flucht und Neuzuwanderung und der damit einhergehenden stetig steigenden Nachfragen und der bereits stattgefundenen Verbreitung der Programme ist für den bundesweiten Transfer der Programme Griffbereit und Rucksack KiTa im Jahr 2017 ein Bundestransfer-Team – angesiedelt beim Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) – etabliert worden. Die Förderung erfolgt durch die Auridis Stiftung.


28. Juni 2022
ZfTI — Stiftung Zentrum für Türkeistudien und IntegrationsforschungJRF-intern

JRF-Interview: Griffbereit & Rucksack KiTa – Hand in Hand für Kinder mit Flucht- und Migrationshintergrund

Rund jede vierte Person in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Wie wichtig die Integration insbesondere geflüchteter Familien mit Kindern ist, wird auch vor dem aktuellen Hintergrund des Krieges deutlich. Am JRF-Institut ZfTIZentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung wird in den Projekten Griffbereit & Rucksack KiTa Sprachbildung ermöglicht und gelebt. Marc Christian Neumann, Koordinator für den Bundestransfer am ZfTI, zeigt die Relevanz der Mehrsprachigkeit auf und erklärt, wie die Programme ausgehend von NRW bundesweit vorangetrieben werden.

Das Bundestransferteam des ZfTI im engen Austausch zur bundesweiten Etablierung der Programme Griffbereit & Rucksack KiTa.

Was sind „Griffbereit & Rucksack KiTa“ genau?

Neumann: Die Programme Griffbereit & Rucksack KiTa regen die Eltern-Kind-Interaktion zur Stärkung von mehrsprachiger Entwicklung und Bildung an. Mit Konzepten diversitätsbewusster Zusammenarbeit wird die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Familien und Bildungseinrichtungen gestärkt. Dazu bedarf es auch die Unterstützung der Familien durch geschulte Elternbegleiter*innen. Es sind Programme für Familien aller Sprachen. Griffbereit ist für Familien mit und ohne internationaler Familiengeschichte im Alter von 1-3 Jahren konzipiert. Rucksack KiTa ist für Familien mit internationaler Familiengeschichte im Alter von 4-6 Jahren geeignet. Sprechen Eltern sowohl in der Familiensprache als auch in der für sie neuen Landessprache mit ihren Kindern, wird der Spracherwerb durch sozioemotionale Entwicklung gefördert. Mehrsprachigkeit ermöglicht gelebte Diversität und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ist somit ein Bestandteil einer vielfältigen, toleranten und offen gestalteten Gesellschaft.
Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKJFGFI) finanziert die Programme und begleitet diese inhaltlich und fachlich. Die lokale Koordination läuft in Kooperation mit den Kommunalen Integrationszentren. Seit 2021 übernimmt das ZfTI den Transfer zur systematischen Verbreitung der Programme auf Bundesebene mit Fördermitteln der Stiftung Auridis. Ein Hauptgrund für die Ansiedlung des Bundestransferteams beim ZfTI ist unsere Spezialisierung auf den Wissenschafts- und Praxistransfer zur Förderung der Weiterentwicklung der Einwanderungsgesellschaft.

Auf die konkrete Situation bezogen: Angenommen, es kommt eine geflüchtete Familie, beispielsweise aus der Ukraine, in Düsseldorf an – wie findet sie zu diesen Angeboten und welche Rolle spielt das Bundestransferteam beim ZfTI dabei?

Neumann: In NRW gibt es insbesondere die KIs, die Kommunalen Integrationszentren. Dort werden durch Netzwerke mit den Elternbegleiter*innen aktiv Programme initiiert, die die aktuelle Kriegssituation sehr gut auffangen. Es gibt Gruppen, die sich auch speziell an Familien mit Ukrainisch als Familiensprache richten. Unsere Homepage von Griffbereit & Rucksack KiTa dient ebenfalls als Schnittstelle und Austauschmedium.
Wir als Bundestransferteam am ZfTI sind dafür da, die Programme aus NRW heraus bundesweit zu etablieren und bereits bestehende Landeskoordinierungen zu begleiten. Immer mit dem Ziel, neue Landeskoordinierungsstellen zu schaffen. Wir ermöglichen die Koordination und unterstützen die jeweiligen Kolleg*innen bundesweit. Sprich, wir organisieren wissenschaftliche und praxisnahe Fachveranstaltungen ganz konkret zum Thema Flucht. Wir haben u.a. in Zusammenarbeit mit dem MKJFGFI den Vortrag „Es sind einfach Kinder…“ – Chancen und Herausforderungen der Integration von Kindern und Familien mit Fluchterfahrung realisieren können. Grundsätzlich besprechen wir die Konzipierung von Veranstaltungen anhand der ermittelten Bedarfe in Teammeetings. Welche theoretischen Hintergründe gibt es, wo können wir ansetzen? Immer mit dem übergeordneten Ziel: Einen bundesweiten, nachhaltigen Know-How-Transfer zu schaffen.

Damit die Familien am Ende bestmöglich unterstützt werden können, arbeiten Sie in einem sechsköpfigen Team eng zusammen. In welche Aufgabenbereiche teilen Sie sich auf?

Neumann: Mein Kollege Gökhan Kabaca ist für Beratung und Schulung zuständig. Er findet neue KooperationspartnerInnen, berät interessierte Einrichtungen und schult bundesweit die jeweiligen KoordinatorInnen, die ihr Wissen an die ElternbegleiterInnen weitergeben. Darüber hinaus ist mein Kollege Safa Mazi für Daten und Qualitätssicherung verantwortlich, das heißt, er führt die qualitative und quantitative Evaluation durch. Zudem vertritt er im Bereich der Koordination Pinelopi Kouloukourgiotou, die sich momentan in Elternzeit befindet. Meine Kollegin Ellen Brings hat den Hut auf für Materialentwicklungen. Sie überarbeitet ältere Materialien und bringt diese auf den neuesten pädagogischen Stand. Außerdem entwickelt sie neue Lern- und Spielmaterialien, und sie hat immer im Blick, welche Übersetzungen gerade angefertigt werden müssen. Ganz aktuell besteht hoher Bedarf an ukrainischen Materialien. Ich selbst bin für die Gesamtkoordination zuständig, aber auch für die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Programme.
Darüber hinaus möchte ich Miriam Weilbrenner nennen, sie vertritt die Fachaufsicht für die Programme im MKJFGFI. Mit ihr arbeiten wir eng zusammen und treffen gemeinsame Entscheidungen, beispielsweise innerhalb der politisch-strategischen und wissenschaftlichen Kommunikation.

Die Programme sind gelebter Transfer von Migrations- und Integrationsforschung in den Alltag und vertreten damit das Selbstverständnis der JRF. Wie sehen die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des Projekts aus?

Neumann: Wir entwickeln auf die beiden Programme zugeschnittene Feedbackmöglichkeiten zur Auswertung der organisatorischen Umsetzung sowie die Erhebung der Lernfortschritte durch die bereitgestellten Lernmaterialien und gemeinsamen Übungen. Hier bildet unsere Homepage im geschützten Login-Bereich eine wichtige Schnittstelle. Unser Ziel ist es, dies so weit auszubauen, dass die Evaluation komplett hierüber ablaufen kann. Hier fällt viel Arbeit an, denn allein in Duisburg gibt es rund 80 teilnehmende Einrichtungen. Eine manuelle Erfassung der Rückmeldungen der teilnehmenden Familien bzw. Einrichtungen bundesweit ist für die Koordinator*innen sehr zeitintensiv. Daher ist das Ziel, die Rückmeldungen so zu bündeln, dass nur noch die Überprüfung durch die Koordinierungsstelle benötigt wird.

Gibt es sonst etwas, das Sie an dieser Stelle gerne loswerden möchten?

Neumann: Je früher Familien mit Migrationshintergrund erreicht werden, desto stärker wirkt sich das unseren Erfahrungen nach auf eine erfolgreiche Bildungsbiografie der Kinder aus. Das ist der Grund, warum wir alle Familiensprachen wertschätzen. Aktuell sind die Lernmaterialien in 30 Sprachen verfügbar und es werden stetig mehr. Wir führen regelmäßige Bedarfserhebungen durch, um herauszufinden, welche Sprachen noch fehlen, um sukzessive die Materialien für Familien und Elternbegleiter*innen zu erweitern. Es gibt darauf aufbauend ein Curriculum, das letztes Jahr veröffentlicht wurde. Wir entwickeln laufend neue Methodiken, um Diversität zu leben und am Zahn der Zeit zu sein. Wir wollen unser Sprachangebot und unsere Programmaterialen immer weiter verbessern und ausbauen.

Das Interview wurde von Wiebke Schuppe (JRF) geführt.

https://jrf.nrw/2022/06/jrf-interview-zfti/

Entwicklung

MehrSprachige Kinder entwickeln sich genauso wie einsprachige Kinder

Überforderung

MehrSprachigkeit ist eine Chance, keine Überforderung

Identität

Sprache und Identität sind eng miteinander verknüpft

Sprachmischungen

Sprachmischungen sind Teil der natürlichen Kommunikation und Identität in mehrsprachigen Familien

Haltung

Welche Haltung gegenüber Sprechern einer Sprache vermittelt wird, prägt wie erfolgreich der Erwerb einer weiteren Sprache verläuft

Faktoren

Spracherwerb ist individuell und von verschiedenen Faktoren abhängig

Norm

MehrSprachigkeit ist die Norm, Einsprachigkeit die Ausnahme

Unterstützung

Wie kann ich den Spracherwerb unterstützen?