Der Weg zur Landeskoordinierung: Erfahrungen und Erfolgsfaktoren für eine verstetigte und qualitative Weiterentwicklung der Programme Griffbereit und Rucksack KiTa

Der Weg zur Landeskoordinierung: Erfahrungen und Erfolgsfaktoren für eine verstetigte und qualitative Weiterentwicklung der Programme Griffbereit und Rucksack KiTa

Am Beispiel der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) e.V. wird deutlich, welche Faktoren für nachhaltigen Erfolg bei der Implementierung einer LaKo besonders wichtig sind. Relevant hierfür ist in besonderem Maße das Zusammenspiel aus Netzwerkunterstützung, Engagement politischer Entscheidungsträger*innen, Identifikation potenzieller Chancen und Team-Knowhow. In den Jahren von 2017 bis 2022 setzte die RAA-Berlin die Arbeit der Landeskoordinierung (LaKo) für die Programme Griffbereit und Rucksack KiTa in Berlin ohne finanzielle Unterstützung um. Dementsprechend war es nicht möglich, ein gesamtstädtisches Konzept für die Implementierung der Programme zu entwickeln. Die Kolleg*innen, die für die Koordination der Programme in dem jeweiligen Bezirken vom Jugendamt finanziert wurden, versuchten von dort aus auch ins Stadtgebiet zu wirken.

Seit August 2022 finanziert die Bildungsverwaltung des Landes Berlin die Landeskoordinierungsstelle für die Programme Griffbereit und Rucksack. Dies ermöglicht die Weiterentwicklung und Verstetigung der Projekte und spiegelt die Anerkennung und Wertschätzung für die über Jahre geleistete Arbeit. Mit einer Auftaktveranstaltung im Dezember 2022 konnte die LaKo sich bei den Berliner Bezirken bekannt machen.

Stefanie Woschniok von der RAA-Berlin hat die Prozesse zur Konzipierung und Umsetzung mit ihren Kolleg*innen entscheidend begleitet- und gesteuert. Woschniok berichtet im Gespräch von ihren Erfahrungen, Herausforderungen und Meilensteinen auf dem Weg zur Implementierung einer Landeskoordinierung.

Retrospektiv macht sie einen Erfolgsgaranten in der Tatsache aus, dass die Programme bereits viele Jahre in verschiedenen Berliner Bezirken durchgeführt wurden. Durch Fachveranstaltungen, Input bei Fach-AGs in Familienzentren oder bei Konferenzen der Frühen Hilfen konnten die Programminhalte in verschiedenen Gremien vorgestellt werden. Bei größeren Fachtagungen wurden dabei immer wieder Bildungspolitiker*innen direkt erreicht.

In diesem Rahmen konnte auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen verwiesen werden, wo bereits eigene Strukturen und Landeskoordinierungen existieren.

Zuständige Ansprechpersonen in den jeweiligen Bezirken erhielten im Rahmen der Evaluierung neben der Berliner- auch die bundesweite Datenauswertung der Programme Griffbereit und Rucksack KiTa ausgehändigt, um die eigene RAA-Rahmung, Ausrichtung und den eignen Stellenwert zu verdeutlichen.

Positiv auf den Erfolg des Vorhabens wirkte sich ebenfalls aus, dass viele Entscheidungsträger*innen bereits von den Programminhalten gehört hatten. Auch die Tatsache, dass auf eine bundesweite Programmhomepage verwiesen werden konnte, ohne weitere finanzielle Mittel in Anspruch nehmen zu müssen, war dabei nützlich.

Konkreter wurde die Errichtung einer Berliner Landeskoordinierung Ende 2021, als innerhalb des RAA-Teams mit Unterstützung durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) eine Analyse über die für das Vorhaben relevanten bildungspolitischen Sprecher*innen beim Berliner Senat durchgeführt wurde. In der Folge konnte eine Argumentationsgrundlage erarbeitet werden. Einbezogen wurden dabei unter anderem die Evaluation des Bundesnetzwerks, der Abschlussbericht der ersten Förderphase „Bundestransfer der Programme Griffbereit und Rucksack KiTa“ von Prof. Dr. Timm Albers (Universität Paderborn) sowie die Ausarbeitungen des beim ZfTI angesiedelten Bundestransferteams.

In diesem Prozess wurde die wissenschaftlich nachweisbare positive Programmwirkung auf den unterschiedlichen Ebenen deutlich. Hierzu zählen die Stärkung einer diversitätsbewussten Familienbildung, die Unterstützung der Kooperation zwischen Familien und Institutionen oder die Wertschätzung mehrsprachiger Erziehung.

Im Jahr 2022 gab es rückblickend vier Meilensteine, denen im Zusammenspiel besondere Bedeutung zukam:

  • Die Ausrichtung des bundesweiten Arbeitskreises der Programme Griffbereit und Rucksack KiTa am 12./13.01.22: Durch die strategische Planung im Bundestransfer und die hohe Relevanz der Thematiken Rassismuskritik, Sensibilisierung und Gleichstellung konnten, zusätzlich zu den renommierten wissenschaftlichen Referent*innen für die Keynote und Workshops, wichtige politische Gatekeeper gewonnen werden.
  • Integrationsministerkonferenz am 27./28.04.2022 (IntMK 22): Durch Vermittlung der RAA stimmte das Land Berlin einer Beschlussvorlage zur bundesweiten Beteiligung am Ausbau und der Verstetigung der Programme Griffbereit und Rucksack KiTa nachträglich zu. Ursprünglich war Berlin der Vorlage nur beigetreten. Als Antragsteller hatten die Länder Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen agiert. Die nachträgliche Zustimmung Berlins wurde u.a. mit Hilfe eines Dossiers erreicht, in dem besonders die Flexibilität von Griffbereit und Rucksack KiTa in den Fokus gerückt wurde. Hierbei geht es unter anderem um die Frage, wie schnell hinzugezogene Bevölkerungsgruppen durch die Programminhalte integriert werden können beziehungsweise, wie sich ihre gesellschaftliche Teilhabe verbessern lässt. Das Votum des Bundes für den Antrag, bei dem bis auf Bayern (Enthaltung) alle Länder zugestimmt haben (15 : 0 : 1), stärkte die Argumentationsbasis von Befürworterinnen und Befürwortern. Vorgaben des Bundes an die Länder sind von besonderer Tragweite. Auf diese können sich Akteure*innen, welche die Programminhalte befürworten, innerhalb der bildungspolitischen Ebenen berufen. Im Werben um die Bereitstellung von Mitteln für eine Berliner Landeskoordinierung war das zuträglich.
  • Es ließ sich eine Ansprechperson auf Bezirksebene finden, der Griffbereit und Rucksack KiTa vorgestellt wurde. Die betreffende Person wechselte innerhalb des Aufgabenbereichs Familienbildung in den Senat. Für die Implementierung einer LaKo erwies sich vor allem dieser Kontakt als besonders hilfreich. Wichtig für das Gelingen des Vorhabens war das erfolgreiche Zusammenspiel von Bundesebenen, Bundesarbeitskreisen und politischen Entscheidungsträger*innen (Bezirk, Senat und Bund).
  • Positiv wirkte sich zudem aus, dass die RAA Berlin als Träger mit weiteren Projekten auf Bezirks- und Senatsebene bereits bekannt ist. Die Projekte umfassen unter anderem die Themenfelder Diversitätsorientierung, Rassismuskritik sowie weitere sensible Fortbildungsbereiche innerhalb der Begleitung und Beratung.

Erfolgsentscheidend war, dass alle verfügbaren, über die Jahre aufgebauten Kontakte aktiviert werden konnten, um größtmögliche Unterstützung für das Vorhaben zu generieren. In der Folge wurde der Antrag für eine LaKo eingereicht und vom Bundestransferteam und deren fachlichen Begleitung Miriam Weilbrenner (MKJFGFI) durch Zahlen, Daten und Fakten unterstützt. Weiterhin konnte das verfasste Dossier für die IntMK 22 inhaltlich als Argumentationsgrundlage eingesetzt werden. Alle Faktoren führten im Zusammenspiel dazu, dass in Berlin eine finanzierte Landeskoordinierung für die notwendige, nachhaltige Verstetigung und Qualitätssicherung der Programme entstehen konnte. Von hohem Wert ist in diesem Rahmen auch die politische Signalwirkung für mehr Bildungsgerechtigkeit.

Was sollten Bundesländer ohne Landeskoordinierung beim Aufbau beachten?

Die Vorgeschichte aus Berlin und die damit verbundene Pionierarbeit muss nicht wiederholt werden. Etwa vier Jahre Zeitaufwand für die Suche nach Umsetzungsmöglichkeiten können durch erfreuliche Verschiebungen auf Bundesebene abgekürzt werden.

Von Vorteil für zukünftige Landeskoordinierungen sind die Vorgaben der 17. Integrationsministerkonferenz 2022. Ihr Beschluss bietet allen Bundesländern mit der Programmumsetzung von Griffbereit und Rucksack KiTa ohne eigene Landeskoordinierung die Aussicht auf Prüfung. Geprüft werden soll, wie die Förderung sowohl der Koordinierung als auch der Angebote in den jeweiligen Ländern verlässlich gestaltet und verstetigt werden kann. Unter die Länder fallen Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Die Entscheidung aus dem Bund gilt nun auf Länderebene.

Ferner sollten bereits umgesetzte Landesprogramme im eigenen Bundesland ermittelt werden, um vom Austausch, etwa über Strategien, wechselseitig zu profitieren. Hilfreich bei der Antragsstellung zu ermitteln ist zudem: Wer sind die Akteure*innen, die unbedingt mitgenommen werden wollen und wer sind die Personen, die unbedingt mitgenommen werden müssen? Hier hat sich in der Praxis ein stetiger Updateprozess als besonders zielführend erwiesen. Dieser betrifft etwa die Herausarbeitung, welche Politiker*innen oder Arbeitskreise das eigene Vorhaben unterstützen, um dadurch innerhalb des eigenen Trägers das Bewusstsein für das übergeordnete Ziel zu stärken, eine LaKo zu implementieren.

Wesentliche Vorteile für Bundesländer ohne LaKo bestehen darin, dass die Programme Griffbereit und Rucksack KiTa im Gegensatz zu Berlin in anderen Ländern häufig nicht unter das Resort Bildung fallen, sondern im Bereich der Integration verortet sind. Dieser Umstand macht es leichter, sich auf die Beschlussvorlage der IntMK 22 zu berufen. Stefanie Woschniok betont die Relevanz des Bundestransferteams bei der Realisierung und Umsetzung der LaKo-Auftaktveranstaltung in Berlin: „Hier konnten wir drauf verweisen, dass es sich beim Transferteam um den starken Rücken, unser Bundesnetzwerk handelt. Gerade die gesammelte Expertise spielt dann eine große Rolle. Das Land Berlin profitiert wahnsinnig von der Bundeskraft.“

Abschließend wird eine wesentliche Parallele zum geplanten bundesweiten Arbeitskreis 2023 vom 04. – 05.05.23 in Essen (NRW) mit dem Schwerpunkt „Kindheit, Familien und Gesellschaft in Zeiten der Krise: Soziale Ungleichheit, Gerechtigkeit und soziales Miteinander“ deutlich: „Es macht Sinn zu eruieren, welches Bundesland ohne LaKo gezielt den BAK 24 ausrichten sollte, weil die Veranstaltung in Berlin eine sehr große Sogwirkung gehabt hat. Wenn wir gewusst hätten, wie groß die Wirkung ist, hätten wir gerade die Inputs der politischen Akteur*innen noch bewusster genutzt. Wenn wir geahnt hätten, wie gut diese Maßnahme einschlägt, hätten wir noch mehr politische Entscheidungsträger aus den richtigen Positionen eingeladen.“

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